Gauting - neuer Schutzstreifen am Bahnhof - nicht gut gelöst

In Gauting wurden im Mai 2022 am Bahnhof und in der oberen Bahnhofstr. neue Markierungen angebracht.
Genauer: Ein neuer Schutzstreifen vom Bahnhof bergab bis zum Kriegerdenkmal (Einmündung Ammerseestr.) wurde angelegt.

Der Gedanke, etwas für den Radverkehr zu tun, ist zu begrüßen.
Leider sind dabei aber diverse Mängel + Gefährdungen aus Sicht der Radfahrer entstanden.

 

1. Radler vom Pippinplatz auf dem RW kommend schwenken in die Kfz-Spur rein.

Sie werden von den Autofahrern schlecht gesehen, besonders wenn vor dem Kino (größere) Autos parken.
Das Schild "Radverkehr" Z138  hängt wegen der Steigung recht hoch - und wird nicht gut gesehen.
Autos aus der UF fahren bergauf, und oben auf der Kuppe quasi erscheinen die Radler -unerwartet- in der Kfz-Spur. Die Rotmarkierung wurde erneuert, OK, aber wegen Steigung und Kuppe fällt diese für Autofahrer kaum bzw. erst spät auf.

Übrigens: schon im Leitbild von Gauting (aus dem Jahr 2009) taucht diese Stelle unter 2.11 auf. Und auch jetzt wird diese Stelle noch nicht behoben, sondern festgeschrieben.

Abhilfe 1: 3m großes Boden-Piktogramm Z138 "Radfahrer" auf der Fahrbahn in der Steigung anbringen.

Abhilfe 2: Aufhebung der Radweg-Benutzungspflicht ab Pippin-Platz bis Bahnhof - wie im Alltags-Radrouten-Netz des Lkr. Starnberg aus 2017 in den Maßnahmen 2008+2009 vorgesehen.

 

2. Der Schutzstreifen wird an der Querungshilfe nicht wirklich unterbrochen.

Die "Restfahrbahn" zwischen Schutzstreifen und Querungshilfe beträgt ca. 1,60m.
In der ERA steht in Abschnitt 3.2: "Verbleiben weniger als 2,25 m Restfahrbahn, so endet der Schutzstreifen ca. 20 m vor der Mittelinsel."
Der Schutzstreifen wird aktuell nur 1m vor der Querungshilfe unterbrochen, und beginnt 1m danach bereits wieder.

Abhilfe: Schutzstreifen weiträumiger unterbrechen. (Beispiel: Krailling, St2063, am Denkmal)

 

3. Autos fahren (bergab) alle auf dem Schutzstreifen.

Nach der Querungshilfe haben alle Autos ihre rechten Räder auf dem Schutzstreifen - es geht ja gar nicht anders.
Und so fahren die Autos weiter - bis zur Ampel am Kriegerdenkmal.

Dies hat einen fatalen Lerneffekt für Kfz-Lenker: Sie lernen, dass die Mitbenutzung eines Schutzstreifens eine ganz normale Sache wäre.
Dem ist aber nach StVO nicht so.

Abhilfe: s. voriger Punkt + s. nächster Punkt.

 

4. Die obere Bahnhofstr. ist zu schmal.

Sie ist 4,50m breit + 1,50 Schutzstreifen + 0,50 Sicherheitsabstand zw. Rad + parkenden Autos.
Dies klingt gut.
Ist es aber nicht, denn die bergauf fahrenden Autos halten Abstand zu den bergauf parkenden Autos.
Damit verschiebt sich der Autoverkehr zum Schutzstreifen hin - und in ihn hinein.
Damit funktioniert der Straßen-Querschnitt nicht mehr.

 

Abhilfe: Straßen-Querschnitt obere Bahnhofstr. neu planen,
  Idee: Parkbuchten vor dem Sontowski-Bau von 2,50 auf 2,00 m verschmälern + Bordstein entsprechend verschieben.
  Vermutlich sind noch weitere Maßnahmen nötig, um den Autofahrern das Freihalten des Schutzstreifens zu ermöglichen.

 

5. Die Geradeausspur bergauf nach dem Kriegerdenkmal ist viel zu breit.

Nach der Ampel am Kriegerdenkmal wird die Bergauf-geradeaus-spur weitergeführt.
Die gestrichelte Linie sieht (nach wenigen 10m, an ihrem Ende) auf der Fahrbahn der oberen Bahnhofstr. folgende Breiten vor:
   * bergauf für Kfz: 3,60m
   * bergab für Kfz: 0,80m
   * Schutzstreifen für Radler: 1,50m

Damit ist klar, dass die Kfz bergauf weit links fahren, und die Kfz bergab alle auf den Schutzstreifen gedrängt werden.

Abhilfe: s. vorigen Punkt

6. RW-Ende bergauf - ohne Ausleitung

Der ca. 200m lange RW bergauf - ab Kriegerdenkmal bis fast zum Bahnhof - endet vor dem Bahnhof.
Bevor die Markierungsarbeiten im Bahnhofsumfeld stattfanden, haben sich Radler + Kfz arrangiert und eingefädelt.
Das war nicht ideal, aber es funktionierte soweit.
Jetzt besteht dort ein hartes Ende des RW - mit RW-Ende-Schild, gestrichelter weißer Linie + Vorfahrt-gewähren-Schild.

Aber: Ein benutzungspflichtiger RW kann nicht einfach enden - er muß sicher auf die Straße ausgeleitet werden.

Die ERA im Abschnitt 3.4. zum Thema RW-Ende:
 "... An Radwegenden wird der Radverkehr durch entsprechende Bordführungen oder Schutzinseln
 baulich vom Kraftfahrzeugverkehr getrennt auf die Fahrbahn geführt.
 Im Verlauf der Strecke empfiehlt sich eine Verflechtungslänge von 10 bis 20m, die als Radfahrstreifen oder Schutzstreifen ausgeführt ist."

Abhilfe: Neugestaltung des RW-Endes. Oder Aufhebung Benutzungspflicht.

 

7. Ampel Kriegerdenkmal, Spur-Einteilung Bahnhofstr. bergauf

Die Spuraufteilung bergauf (unterhalb der Einmündung Ammerseestr.) ist auch nicht glücklich:
Die frühere Aufteilung (Geradeausspur, Linksabbiegerspur, Bergab-Spur) wurde im wesentlichen beibehalten; es wurde lediglich noch ein Schutzstreifen in die Geradeausspur eingefügt.
Dies sieht man auch daran, dass der Geradeaus-Pfeil nicht mittig in der Kfz-Spur sitzt.
Wenn die Linksabbiegerspur belegt ist, dann fahren Geradeaus-Autos auch gerne über den Schutzstreifen, denn die Geradeausspur ist am Beginn nur 1,70m breit, und vor der Ampel dann gerade mal 2,10m breit.

 In der ERA sind im Bild 48 andere Maße vermerkt:
    Rad-Aufstellfläche ist 3m vor der Auto-Haltespur.  -- In Gauting: 1,50m
    Kfz-Spurbreite: mind. 2,25m.  -- Gauting: 2,10m

Abhilfe: Straßen-Querschnitt neu planen, Verschmälerung der Bergab-Fahrspur (jetzt 3,30m) oder der Linksabbiegespur (jetzt 3,00m)
 

Fazit:

Die neu geschaffene Lösung ist unbefriedigend für den Radverkehr.
Sie beinhaltet Gefahrpunkte.
Und bringt fatale Lerneffekte für Auto-Fahrer mit sich.

 

Sommer 2022: Eine email-Diskussion über den neuen Schutzstreifen - verlief unbefriedigend.

Der ADFC hatte seine Bedenken zu den im Mai 2022 angelegten neuen Markierungen an die Gemeinde gesandt. (siehe oben auf dieser Seite)

Im Sommer äußerte die Gemeinde ihre Sicht.
Und der ADFC erneuerte anschließend seine Einwände.

Das entscheidende Problem ist, dass die Markierungen und Beschilderungen nicht den geltenden Vorschriften und Regelungen entsprechen:

-Das Radweg-Ende vor dem Kino entspricht nicht der ERA 2010.
-Das Radweg-Ende vor dem Hotel Simon entspricht nicht der ERA 2010.
-Der Schutzstreifen bei der Mittelinsel vor dem Bahnhof entspricht nicht der ERA 2010.
-Das ganze Vorhaben widerspricht der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO), denn in den Fassungen von 2009, 2017 und 2021 heißt es - jeweils in Punkt 12:

2009:
Ein Schutzstreifen ...
 Er kann innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden,
 wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert.
...

2017:
Ein Schutzstreifen ...
 Er kann innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden,
 wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert.
...

2021
Ein Schutzstreifen ...
 Er darf nur innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden
 und nur, wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert.

...

Im vorliegenden Fall der oberen Bahnhofstraße erfolgt die Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nicht nur in seltenen Fällen,
 sondern quasi in 100% der Fälle.

D.h. kurz gesagt: die vorliegende Straßen-gestaltung ist nicht zulässig.


Einige weitere Punkte aus der Gemeinde-Antwort sollen auch noch -sinngemäß- beleuchtet werden.

Gemeinde: ... es braucht eine Eingewöhnungszeit ...:
ADFC: Das, was jetzt geschieht, ist, dass sich Kfz-Fahrer angewöhnen, dass Schutzstreifen eigentlich ohne Bedeutung sind.
 Und das ist fatal - auch für Straßen mit Schutzstreifen anderenorts.
Also sollte diese "Lernphase" hier baldmöglichst beendet werden.

Gemeinde: ... verschiedene Gremien wurden beteiligt, haben es mitgetragen und gebilligt ...
ADFC: Dies kann sein, aber es widerspricht den Regelwerken - siehe oben. Der ADFC wurde bei den Planungen zum Straßenquerschnitt nicht beteiligt.

Gemeinde: ... bei den Markierungsarbeiten handelt sich um reine Unterhaltsarbeiten:
ADFC: Es ist die Neuanlage einer Radverkehrsanlage.

(zum Radweg-Ende vor dem Bahnhof)
Gemeinde: ... Die Aufhebung der Radweg-Benutzungspflicht wird ... nach wie vor für gefährlich gehalten.:
ADFC:
Die entscheidende Gefahrenstelle ist das falsch gebildete Ende des Radweges bzw. der falsch gebildete Übergang vom Radweg zum Schutzstreifen.
Die spezielle Geometrie mit Kuppenwirkung kommt noch dazu (wie beschreiben).
Die Radfahrer springen den Autofahrern quasi vor die Nase.
Die vorgezeichnete Route suggeriert den Radelnden Sicherheit, die dort nicht gegeben ist.


Die ausführliche Beschreibung der Mängel mit Bildern findet sich oben auf dieser Seite.

 

29.09.2022

Im UEV-Ausschuß betonte die Gemeinde, dass die Markierung und Beschilderung vom LRA entsprechend angeordnet wurde.

... Aber dies ändert leider nix: die geschaffene Lösung bleibt wegen der vom ADFC geäußerten Punkte unbefriedigend.

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